Mensch und Computer 2025: Digital Diversity

Vielfalt, Verantwortung und Visionen im UX-Alltag

Ein Erfahrungsbericht von der MuC 2025 in Chemnitz

In meiner Zeit als Stipendiatin an der TU Berlin hatte ich von der MuC noch nichts gehört. Sie war damals in meiner Berlin-Bubble kaum präsent – und das, obwohl es die Konferenz bereits seit 25 Jahren gibt. An dieser Stelle: Alles Gute nachträglich zum Jubiläum!

Was die MuC so besonders macht: Hier treffen Wissenschaft und Praxis direkt aufeinander. Es werden wissenschaftliche Paper vorgestellt, Demos von Studierenden gezeigt und aktuelle Themen aus der UX-, Tech- und Produktwelt diskutiert. Diese Verbindung finde ich persönlich erfrischend – gerade weil sie unterschiedliche Perspektiven vereint.

Und das Tolle: Die Konferenz ist zweisprachig, auf Deutsch und Englisch. Für Menschen mit einer Fremdsprachenerwerbsstörung und oder für neurodivergente Personen ist es eine große Erleichterung, die Sprache frei wählen zu können. Auch das Angebot eines Ruheraums fand ich klasse – gelebte Diversität!
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🔔 Ein Hinweis der mir wichtig ist – weil ich es auf der Konferenz wieder mehrfach falsch gehört habe: Neurodivergenz ist keine Krankheit! Sie ist angeboren – und kein Makel. Neurodivergente Menschen denken, verarbeiten und kommunizieren anders – und genau darin liegt eine enorme Stärke für inklusive UX-Ansätze.

German UPA Arbeitskreis UX Strategie


Tag 1 – Sonntag: Interdisziplinarität & UX-Messbarkeit

Ich startete mit zwei Beiträgen.

Interdisziplinarität – mehr als ein Buzzword

Gleich zum Auftakt besuchte ich den Workshop „Mehr als nur Code und Design: Interdisziplinarität als Schlüssel für eine zukunftsfähige Tech-Branche“. Ein interaktives Format, das nicht nur Rollen sichtbar machte, sondern auch Machtverhältnisse – und deutlich zeigte: Interdisziplinarität wird zwar viel beschworen, aber selten gelebt.

Mein Take-away:
Wir brauchen mehr Soziolog:innen, Linguist:innen und Perspektiven auĂźerhalb der Tech-Filterblase. Gerade in Zeiten von KI sind geistes- und sozialwissenschaftliche Kompetenzen essenziell.

👉 Mein ausführlicher Erfahrungsbericht zum Workshop folgt hier: Zum Artikel 🔗

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UX sichtbar machen – von weichen Faktoren zu harten Zahlen

Danach folgte der Vortrag von Andreas Hinderks: „Den ROI von UX sichtbar machen“. Es ging um die Frage, wie man UX-Maßnahmen quantifizieren kann – mit statistischen Verfahren, konkreten Modellen und einem Prototyp-Tool für ROI-Analysen.

Relevante KPIs waren unter anderem:

  • NPS (Net Promoter Score)
  • UEQ (User Experience Questionnaire)
  • SUS (System Usability Scale)
  • CES (Customer Effort Score)
  • CSAT (Customer Satisfaction Score)


Mein Take-away:

Der Wert von UX lässt sich sehr wohl quantifizieren – wenn man die richtigen Metriken kennt, frühzeitig misst und interdisziplinär zusammenarbeitet. Leider fehlt in der Praxis oft das Wissen, die Akzeptanz oder schlicht die Datengrundlage – etwa weil viele Daten nicht nutzbar sind oder Nutzer:innen sie nicht preisgeben wollen.


Tag 2 – Montag: Kulturelles Erbe, UX-Management & Strategie

Keynote: HCI trifft kulturelles Erbe

Der Montag startete mit einer inspirierenden Keynote von Luigina Ciolfi, Professorin für Human-Computer Interaction an der University College Cork. Ihr Titel: „Rethinking HCI for Diverse Cultural Heritage Experiences“.

Ihr Appell: Wir brauchen ein praxiserprobtes, situationsbezogenes Designverständnis – gerade wenn es um kulturelles Erbe geht. Technologie sollte nicht nur Funktion erfüllen, sondern Kontexte respektieren und Geschichten lebendig machen.

Mein Take-away:
UX ist mehr als funktionale Gestaltung – es ist kulturelle Übersetzungsarbeit. Gerade in Museen, Archiven und öffentlichen Räumen kann HCI dazu beitragen, neue Formen der Teilhabe zu ermöglichen.


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UX Management im Realitätscheck

Anschließend nahm ich am Workshop des German UPA Arbeitskreises UX Management teil – gestaltet von Andreas Hinderks, Dominique Winter, Ulf Schubert, Uwe Betzin und Sebastian Gerhardt. Der Titel: „Problemlösung im UX-Management: Ein fallbasierter Workshop zur Entwicklung praxistauglicher Lösungen“.

Das zentrale Szenario: UX kommt zu spät ins Projekt – und wirkt nicht. Gemeinsam analysierten wir Ursachen und entwickelten Lösungsansätze wie:

  • frĂĽhzeitige Integration in agile Teams
  • klare KPIs fĂĽr UX
  • bessere Auftragsklärung und Recruiting-Prozesse


Mein Take-away:

UX muss als Teamaufgabe verstanden werden – nicht als nachgelagerter Prüfprozess. Nutzerzentrierung beginnt mit Beteiligung.

👉 Zu diesem Beitrag folgt ein vertiefender Artikel: Zum Artikel 🔗

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Unser Workshop aus dem Arbeitskreis: UX-Strategie trifft KI

Am Nachmittag stellten Sebastian Gerhardt und ich aus unserem Arbeitskreis UX Strategie unseren KI-gestützten Strategie-Coach vor. Drei Gruppen testeten ihn – und reflektierten über Unternehmensstrategie, Stakeholder und persönliche Kompetenzen.

Die Reaktionen: neugierig, kritisch, engagiert. Der KI Coach löste Diskussionen aus – genau das war unser Ziel.

Mein Take-away:
Strategische Reflexion ist persönlich. KI kann sie anstoßen, aber (noch) nicht ersetzen. Kontext, Beispiele und Vertrauen sind entscheidend.

👉 Die komplette Auswertung folgt demnächst auf der German UPA Seite.

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Tag 3 – Dienstag: Barcamp Tag

Der dritte Konferenztag startete mit einer Keynote, die mich sehr bewegt hat: „Digital für alle – Mitgestalten statt ausschließen“ von Sonja Wilczek, Researcherin beim DigitalService des Bundes. Ihr zentraler Appell: Digitale Teilhabe ist weit mehr als Barrierefreiheit.

Menschen ohne Smartphone, ohne Konto, mit Sprachbarrieren, Einschränkungen oder psychischen Belastungen – all diese Perspektiven müssen wir mitdenken, wenn wir digitale Produkte gestalten.

Mein Take-away:
UX ist auch soziale Verantwortung. Es geht nicht nur um bessere Interfaces, sondern um gerechtere Zugänge – und damit um gesellschaftliche Resilienz.

👉 Den vertiefenden Impuls findest du hier: Zum Artikel 🔗

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Nach der Keynote ging es am Mittag ins Barcamp – den vielleicht lebendigsten Teil der Konferenz. Viele verschiedene Sessions standen zur Wahl, und ich entschied mich für Themen wie UX Writing, Ethik und KI, Macht, Soft Skills und UI Generatoren. Hier ein kleiner Auszug:

Macht: UX braucht Einfluss

Katja Busch eröffnete eine wichtige Diskussion: Ohne Macht keine Wirkung. UX braucht Räume, in denen Entscheidungen getroffen werden – nicht nur gute Ideen.

Mein Take-away:
Macht ist kein Widerspruch zur Empathie. Sie ist Voraussetzung für Wirkung. Und: Das hat viel mit mir gemacht – als neurodivergente Person, die visionär an eine egofreie Zusammenarbeit in diversen Teams glaubt.

👉 Zum Vertiefungsartikel: Zum Artikel 🔗
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Soft Skills in UX: Sichtbar machen, was wirkt

Claudia Bruckschwaiger und Clemens Lutsch stellten ein praxisnahes Canvas und ein Kartenset zur Reflexion von Soft Skills vor. In kleinen Gruppen reflektierten wir Kompetenzen wie Empathie, Kommunikation, Selbstorganisation und Teamverhalten.

Das Set hilft dabei, Stärken und Entwicklungsfelder im Team sichtbar zu machen und gezielt anzugehen. Besonders hilfreich fand ich den Austausch über vermeintliche „Schwächen“, die sich im Teamkontext oft als wichtige Eigenschaften entpuppen.

Mein Take-away:
Fachwissen ist nur ein Teil der Gleichung. Soft Skills entscheiden oft darüber, ob UX im Team wirklich wirkt – oder untergeht.

👉 Zum Kartenset: Link

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UI Generatoren & KI im Designprozess

Ulf Schubert zeigte Tools wie UX Pilot und Figma AI. Eindrucksvoll, wie schnell komplexe Interfaces generiert werden können. Die anschließende Diskussion drehte sich auch um Ängste:

  • Wird alles uniform?
  • Wer trägt die Verantwortung bei KI-generierten Interfaces?
  • Wie steht es um Datenschutz und Designsysteme?


Mein Take-away:

Die Angst war spürbar – aber KI ist kein Gegner. Ich spiele in meiner Freizeit viel mit KI-Tools, um zu wissen, was möglich ist – aus Neugier. In meiner täglichen Arbeit kann ich vieles davon nicht einsetzen, weil sie (noch) datenschutzrechtlich problematisch sind. Aber: Ich bin immer froh, wenn ich repetitive Aufgaben automatisieren kann – denn dann bleibt mehr Raum für das Zwischenmenschliche. Und genau da machen wir den Unterschied.

Dinnerabend & Preisverleihung

Am Dienstagabend fand das offizielle Dinner mit einer feierlichen Preisverleihung statt. 25 Jahre MuC wurden im Kraftverkehr Chemnitz zelebriert – und der Höhepunkt war die Auszeichnung von Bertolt Meyer zum „Hochschullehrer des Jahres“ des Deutschen Hochschulverbandes.

Zur Person: Meyer, Chemnitzer Psychologe, Wissenschaftler und DJ, wurde für sein Engagement für Vielfalt, Teilhabe und Wissenschaftskommunikation geehrt. Er lebt, was er erforscht: die Verschmelzung von Mensch und Technik, Diversität und Barrierefreiheit. Seine bionische Prothese, die er auch als DJ weiterentwickelt hat, ist Symbol und Werkzeug zugleich. In seinen Formaten „Agree to Disagree“ (ARTE/Deutschlandfunk) und „People of Science“ bringt er gesellschaftlich relevante Themen in die breite Öffentlichkeit. Seine Live-Demo als DJ war ein Highlight des Abends – Wissenschaft, Musik und Vielfalt vereint auf einer Bühne.

FĂĽr mich war dieser Abend nicht nur inspirierend, sondern auch ein Beweis dafĂĽr, wie stark die MuC Wissenschaft, Praxis und Kultur verbindet.


Paper & Mut zur BĂĽhne

Ein besonderes Highlight aus unserem Arbeitskreis UX Strategie: Björn Rohles und Julia Messerschmidt wurden für ihr Paper „Anchoring Human-Centeredness in Organizations“ mit dem Honorable Mention Full Paper Award ausgezeichnet. 👉 https://lnkd.in/eRRrne85

Ich selbst habe mir den Mut genommen, mit Sebastian einen Workshop beizutragen. Für mich als neurodivergente Person war das keine leichte Entscheidung – eine Konferenz fordert mich immer sehr. Aber es hat sich gelohnt: Die Diskussionen, die Offenheit und das gemeinsame Lernen waren unglaublich bereichernd.


Fazit: UX ist mehr als Design – es ist Haltung

Die Mensch und Computer 2025 war für mich ein Weckruf. UX ist keine Nische, sondern Schnittstelle. Keine Komfortzone, sondern eine Reibungsfläche. Und vor allem: ein Möglichkeitsraum, den wir aktiv mitgestalten können – und müssen.

Ich hatte das große Glück, gemeinsam mit drei Kolleg:innen von DATEV dabei zu sein. Danke an DATEV für diese Möglichkeit! Danke an die Community, alle Speaker:innen – und an Chemnitz für vier inspirierende Tage.

đź“… Save the date: 2026 findet die MuC vom 22. August bis 5. September in Duisburg statt.

Team DATEV: Sarah Nicolai, Franziska Gronwald, Ulf Schubert und Maximillian Steiner

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Franzi Detail

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