The Coming Wave – Zwischen Menschlichkeit und Maschinenmacht

Wie die nächste Technologierevolution unsere Welt neu gestaltet

EinfĂĽhrung: Die technologische Welle, die niemand stoppen kann

Wir leben in einer Zeit, in der Technologie nicht mehr nur Werkzeuge sind, sondern sich zu einem eigenständigen System mit enormen Einfluss auf jeden Lebensbereich entwickelt hat. Mustafa Suleyman, Mitgründer von DeepMind, beschreibt in seinem Buch „The Coming Wave“ eine Welle an Innovationen, die unser Denken über Macht, Kontrolle und Fortschritt grundlegend verändern wird.

Er erzählt, wie er 2010 in London DeepMind mit zwei Freunden Demis Hassabis und Shane Legg gegründet hat mit dem Ziel: Was wäre, wenn wir die Essenz dessen, was uns Menschen so produktiv und fähig macht, in Software, in einem Algorithmus destillieren könnten?

  • Heute haben wir eine fast perfekte Gesichtserkennung
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Überall ist KI drin! 2010 redete fast niemand über KI. Heute ist KI allgegenwärtig auf jedem Smartphone und in Nachrichten und da er schon so lange an dem Thema arbeitet, möchte er mit seinem Buch Aufklärungsarbeit leisten. In der Vergangenheit wurden alte Jobs überflüssig, gleichzeitig aber neue geschaffen. Was wäre, wenn die KI die meisten dieser neuen Arbeitsplätze einfach mit übernimmt? Für diese Aussagen wurde Mustava Suleyman belächelt, doch es ist Realität geworden. Er berichtet von vergangenen Wellen. Zuerst scheint es unmöglich und unvorstellbar. Dann erscheint es unvermeidlich. Und jede Welle wird noch größer und noch stärker.

Die Welle ist schon längst da – doch ihre volle Kraft und Tragweite sind vielen noch nicht bewusst.

Wie können wir diese Veränderung verstehen?
Welche Gefahren und Chancen birgt sie?
Und vor allem: Wie können wir die Richtung mitbestimmen, bevor uns die Technologie entgleitet?

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Vier Merkmale, die die „kommende Welle“ prägen

Suleyman identifiziert vier Kernmerkmale, die diese technologische Revolution definieren:

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1. Asymmetrie: Der gewaltige Machttransfer

Technologie ermöglicht heute dramatische Verschiebungen von Macht und Einfluss. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel aus dem Buch ist der ukrainische Widerstand im Krieg gegen Russland. Mit Hilfe von Technologien wie Starlink-Satelliteninternet, KI-gestützter Bildanalyse und digitalen Kommunikationsmitteln können relativ kleine Kräfte eine militärische Übermacht ausgleichen und strategisch reagieren. Hier zeigt sich, wie clevere Technologie-Nutzung es auch kleinen Akteuren erlaubt, großen Einfluss zu gewinnen.

2. Hyper-Evolution: Die beschleunigte Entwicklung

Die Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen ist beängstigend hoch. Suleyman beschreibt, wie KI-Modelle heute in Wochen oder sogar Tagen trainiert werden können, wo früher Monate nötig waren. Das KI-Unternehmen OpenAI veröffentlichte mit GPT-3 und kurz darauf GPT-4 enorme Sprünge in Fähigkeiten und Verfügbarkeit. Diese Beschleunigung macht es schwierig, die Folgen richtig einzuschätzen oder mit Regulierungen Schritt zu halten.

3. Allzweck-Nutzung: Mehr Anwendungsfelder, mehr Macht

Technologie wird heute branchenübergreifend eingesetzt. Ein gutes Beispiel ist CRISPR, das Gen-Editing-Tool, das in Medizin, Landwirtschaft und Biotechnologie Anwendung findet. Suleyman zeigt sowohl die Chancen (Heilung von Erbkrankheiten, Ertragssteigerung) als auch die Risiken (biologische Waffen, ethische Probleme). Damit wird sichtbar, wie eine einzelne Innovation verschiedene Lebensbereiche radikal verändern kann.

4. Autonomie: Die unbekannte Kontrollfrage

Autonome Systeme, die sich selbst weiterentwickeln, gehören zu den größten Unsicherheiten. Suleyman schildert, wie KI-Modelle eigenständig lernen und Entscheidungen treffen, die für Menschen oft undurchschaubar sind – sogenannte „Blackbox“-Probleme. Ein kritisches Beispiel sind autonome Waffensysteme, die ohne menschliche Kontrolle eingesetzt werden könnten, was ethische und sicherheitspolitische Fragen aufwirft.

Vertiefte Beispiele aus „The Coming Wave“

Autonome Waffensysteme:
Suleyman beschreibt die Risiken, wenn autonome Waffensysteme ohne menschliches Eingreifen Entscheidungen treffen und Ziele angreifen. Die Gefahr von Fehlfunktionen oder Eskalationen ist hoch. Das verdeutlicht die enorme Herausforderung, solche Technologien so zu gestalten, dass sie transparent, kontrollierbar und ethisch vertretbar bleiben.

CRISPR und Biohacking:
Die Verbreitung von Gen-Editierungstechnologien wie CRISPR stellt eine weitere Bruchlinie dar. Das Buch thematisiert, wie Privatpersonen und kleine Gruppen immer häufiger genetische Experimente durchführen – oft ohne Regulierung oder Aufsicht. Dies birgt erhebliche Risiken, macht aber auch deutlich, wie schwierig es ist, technologische Entwicklungen einzudämmen, wenn Wissen und Tools immer leichter zugänglich sind.

AlphaGo und der geopolitische KI-Wettlauf:
Der Sieg von AlphaGo gegen den Go-Weltmeister Lee Sedol im Jahr 2016 war ein Wendepunkt. China reagierte darauf mit einer umfassenden nationalen KI-Strategie, die alle staatlichen Ressourcen bündelt, um bis 2030 weltweit führend zu sein. Universitäten wie Tsinghua veröffentlichen heute mehr KI-Forschung als jede andere Institution weltweit. Dieses Beispiel zeigt, wie technologische Durchbrüche unmittelbar politische und wirtschaftliche Dynamiken formen.

Technologie mit sozialem Zweck:
Trotz der Risiken hebt Suleyman auch den positiven Einfluss moderner Technologien hervor. KI wird zum Beispiel eingesetzt, um Krankheiten besser zu diagnostizieren, Umweltprobleme zu überwachen oder nachhaltigere Technologien zu entwickeln. Dabei spielt UX-Design eine Schlüsselrolle, um Technologien für möglichst viele Menschen zugänglich und nutzbar zu machen. Dazu dann mehr in meinem Artikel:
👉 Link: Die kommende Welle – Wie KI unsere Zukunft formt

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Der globale Wettlauf: China, USA und das AlphaGo-Beispiel

Ein zentrales Kapitel des Buchs beschreibt den erbitterten Wettkampf zwischen den USA und China um die Vorherrschaft in der KI-Technologie.

China setzt auf ein Top-down-Modell, das staatliche Ressourcen bündelt und strategisch für KI-Ziele einsetzt. Der nationale Plan sieht vor, dass China bis 2030 weltweit führend wird – mit massiven Investitionen in Forschung, Industrie und Militär.

Das AlphaGo-Spiel 2016 markierte einen Meilenstein. Das britische KI-Unternehmen DeepMind entwickelte eine KI, die erstmals einen menschlichen Weltmeister im komplexen Brettspiel Go besiegte. Kurz darauf kündigte China seine nationale KI-Strategie an und baute Hochsicherheitslabore für biotechnologische Innovationen – unter anderem in Wuhan.

Quelle: https://shorturl.at/XKiFL

Diese Beispiele zeigen, wie technologische Erfolge globale Machtverhältnisse direkt beeinflussen und staatliche Strategien prägen.

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Die unausweichliche Dynamik: Warum die kommende Welle kommt

Technologie besitzt heute eine Eigendynamik, die kaum aufzuhalten ist. Milliarden von Akteuren – Forscher, Unternehmer, Konzerne – treiben Innovationen voran, getrieben von Neugier, Wettbewerb und wirtschaftlichem Erfolg.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist das „Biohacking“, bei dem Privatpersonen genetische Experimente durchführen – häufig ohne staatliche Kontrolle oder institutionelle Vorgaben. Das birgt erhebliche Risiken und zeigt, wie schwer es ist, diese Welle zu stoppen, wenn Wissen und Werkzeuge immer zugänglicher werden.

Suleyman nutzt das Bild des „Schleimpilzes“ als Metapher für dieses allgegenwärtige, komplexe Wachstum technologischer Kräfte, die sich kaum lenken lassen.

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Die zehn Schritte zur Eindämmung – eine pragmatische Roadmap

Suleyman bietet konkrete Handlungsempfehlungen, um Risiken zu minimieren und Kontrolle zurĂĽckzugewinnen:

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  1. Transparenz erhöhen:
    Offene Berichte und Monitoring von KI-Entwicklungen, wie beim AlphaGo-Beispiel, helfen, Risiken frĂĽh zu erkennen.

  2. Internationale Kooperation stärken:
    Globale Abkommen zum Umgang mit autonomen Waffensystemen oder CRISPR sind essenziell.

  3. Ethik und Governance etablieren:
    Bindende ethische Leitlinien, z. B. in der EU-KI-Verordnung.

  4. Technologisches Monitoring:
    Ständige Überwachung von Gen-Editing und KI-Anwendungen.

  5. Förderung nachhaltiger Innovation:
    UnterstĂĽtzung sozial nĂĽtzlicher KI-Projekte im Gesundheits- oder Umweltbereich.

  6. Stärkung demokratischer Kontrolle:
    Bürger:innen einbinden durch öffentliche Foren und Transparenz.

  7. Bildung und Aufklärung:
    Programme, die Technikkompetenz fördern, etwa Workshops zu KI-Grundlagen.

  8. Sicherheits- und Schutzmechanismen:
    Notfallpläne und „Kill Switches“ für autonome Systeme.

  9. Förderung alternativer Entwicklungswege:
    Open-Source-Technologien als Gegengewicht zu kommerziellen Monopolen.

  10. Politische Verantwortung:
    Staaten müssen Innovation und Risiken abwägen und regulieren.

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Technologie mit sozialem Zweck – Die Hoffnung in der DNA der Innovation

Trotz aller Risiken zeigt Suleyman, dass Technologie auch fürs Gemeinwohl genutzt werden kann. Zum Beispiel helfen KI-Systeme, Umweltverschmutzung zu überwachen oder medizinische Diagnosen in ärmeren Regionen zu verbessern. Diese soziale Zweckorientierung sollte unsere Haltung gegenüber Innovation prägen: nicht Fortschritt um des Fortschritts willen, sondern verantwortungsvolle und nachhaltige Nutzung.

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Wir brauchen aber auch einen Kulturwandel: Versagen mit Respekt akzeptieren 

Eine Kultur der Selbstkritik sollte sich etablieren. Ein Kulturwandel. Als Beispiel erwähnt er hier, dass es zu den Anfängen der Dieselmaschinen in den 50er Jahren zu beunruhigend häufig zu tödlichen Abstürzen kam. Heute ist Fliegen sicherer als auf der Couch sitzen. Warum? Durch eine Kultur des konsequenten Lernens aus Fehlern. Die Luftfahrtbranche macht daraus kein Firmengeheimnis. Die Gesellschaften haben ein gemeinsames Interesse der Vertrauenswürdigkeit und der Sicherheit der gesamten Branchen umgesetzt. Die Menschen müssen aber auch an Initiativen wie Sicherheit und Ethik glauben und sie fördern. In der Technologiebranche wird zwar viel geredet, wenn es darum geht, Versagen zu akzeptieren und aus Fehlern zu lernen, aber tut es selten, wenn es um Datenschutz, Sicherheit und technische Verstöße geht. Meist wird es geheim gehalten, wenn etwas schief geht. Angst vor Versagen und Schmach führt zu Stillstand. Wer das tut, bekommt schlechte Bewertungen. Das Eingeständnis des Scheiterns muss ein echtes Anliegen sein und nicht nur eine Floskel. Unbequeme Themen sollten mit Lob anerkannt werden.

Wir brauchen mutige Menschen die sich einsetzen

Veränderung geschieht, wenn Menschen sie fordern. Gemeinsam können wir es schaffen. Beispiele aus der Geschichte kam es immer wieder zu Veränderungen, weil sich die Menschen selbstbewusst dafür einsetzen. Der Druck der Bevölkerung schuf Normen. Die Abschaffung der Sklaverei, das Frauenwahlrecht, die Bürgerrechte - das sind enorme moralische Errungenschaften, die nur deshalb zustande kamen, weil Menschen hart dafür gekämpft und breite Koalitionen gebildet haben, die eine große Forderung ernst nahmen und dann auf dieser Grundlage Veränderungen durchsetzen. Man muss sich für den Wandel aktiv einsetzen. 

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Fazit: Die „kommende Welle“ ist Realität – und wir müssen mit ihr schwimmen

Mustafa Suleymans Buch macht deutlich: Die technologische Revolution ist nicht aufzuhalten. Sie verändert Machtverhältnisse, gesellschaftliche Strukturen und unser Leben tiefgreifend.

Der Wettkampf zwischen China und den USA zeigt, wie eng Technologie und globale Macht verbunden sind. Gleichzeitig kann Innovation fĂĽr das Gemeinwohl wirken.

Für uns alle – als Fachkräfte, Nutzer:innen und Bürger:innen – heißt das: wachsam, informiert und aktiv zu bleiben. Nur so können wir die Richtung der kommenden Welle mitgestalten, bevor sie uns überrollt.


Meine persönliche Reflexion aus UX-Sicht zu „The Coming Wave“ von Mustafa Suleyman findest du hier:
👉 Link: Die kommende Welle – Wie KI unsere Zukunft formt

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