Google Stitch im Test: UI-Design per Text Prompt?

Einfach per Text ein komplettes Interface erstellen – geht das wirklich?

Genau das verspricht Google Stitch, das neue KI-Design-Tool aus den Google Labs. Es generiert Oberflächen aus Texteingaben, exportiert diese direkt in Figma und liefert sogar den zugehörigen HTML-/CSS-Code.
Das Tool befindet sich derzeit in der öffentlichen Betaphase. Ich habe es ausprobiert – und teile hier meine Erfahrungen.

Mein Use Case: Eine Landingpage für einen Friseursalon

Ich wollte herausfinden, wie gut Stitch bei einem typischen UX-Case funktioniert.

Mein Prompt lautete:

Erstelle eine responsive Landingpage für einen modernen Friseursalon. Die Seite soll ein ansprechendes, sauberes Design mit warmen Farben (z. B. Beige, Gold, Dunkelgrün) verwenden.

Sie soll folgende Elemente enthalten:

  • Header mit Logo (Platzhalter), Navigationslinks („Home“, „Leistungen“, „Team“, „Kontakt“) und einem Call-to-Action-Button („Termin buchen“)
  • Hero-Sektion mit großem Bild (Friseurszene, Platzhalterbild), Überschrift („Dein Style. Unser Handwerk.“) und kurzem Teaser-Text sowie Button („Jetzt Termin sichern“)
  • Leistungen-Bereich mit Icons und kurzen Beschreibungen für 3–4 typische Angebote (z. B. Haarschnitt, Coloration, Styling, Bartpflege)
  • Team-Sektion mit Fotos und kurzen Beschreibungen von 2–3 Teammitgliedern
  • Kontakt-Sektion mit Adresse, Telefonnummer, Öffnungszeiten, Google-Maps-Embed (Platzhalter) und Kontaktformular
  • Footer mit Social Media Icons (Platzhalter), Impressum und Datenschutzlink

Erste Eindrücke

Was gut funktioniert hat:
  • Die Übersetzung des Prompts ins Englische brachte ein deutlich besseres Ergebnis
  • Figma-Export lief reibungslos
  • Die Ebenen sind in FIGMA bearbeitbar
  • Farben und Komponenten können angepasst werden
  • Prompts wurden zuverlässig interpretiert

Was (noch) nicht funktioniert:
  • Responsivität muss einzeln ausgewählt werden
  • Ebenenstruktur war teils unsauber
  • Abstände waren nicht immer inkonsistent, was Nacharbeit erfordert


Technischer Blick

Das Herzstück von Stitch ist Gemini 2.5 Pro mit einem Kontextfenster von 1 Million Tokens.

Textverarbeitung: Semantische Analyse extrahiert funktionale Anforderungen, Stilvorgaben und UI-Muster
Bildverarbeitung: Laut The Verge nutzt Stitch ein Modell, das mit über 800 Millionen UI-Beispielen trainiert wurde, um Layouts und Hierarchien zu erkennen
Codegenerierung: Drei Stufen – AST ➔ Framework-Code (React, Flutter etc.) ➔ CSS mit automatisierten ARIA-Labels (WCAG 2.2-konform)

Effizienz und Alltagstauglichkeit

Zeitersparnis: Landingpage-Erstellung von 8,2 auf 1,3 Stunden (−84 %)
Versionskonflikte: −73 % dank bidirektionaler Figma-Synchronisation
Barrierefreiheit: Lighthouse Accessibility Score: 98,6 % (vs. 89,4 % Branchenwert)
Performance: Cumulative Layout Shift (CLS) um den Faktor 2,3 verbessert

Laut interner Tests von Google
Quelle: Google I/O 2024

In meinem Alltag als UX-Designerin helfen mir solche Tools nur bedingt: Nicht das Design, sondern unklare oder komplexe Anforderungen sind oft die größere Herausforderung. Dennoch kann Stitch für schnelle Prototypen oder MVPs ein echter Zeitgewinn sein.

Zusammengefasst

Was Stitch heute bietet:

• Multimodale Eingabe: Text- und Bild-Prompts
• Direkter Figma-Export
• Schnelle Entwicklung einfacher UI-Konzepte

Was (noch) fehlt:

⚠️ Sauberer responsiver Output
⚠️ Konsistente Ebenenstruktur in Figma
⚠️ Feinschliff bei Abständen und Layoutdetails


UX-Fazit: Zwischen Geschwindigkeit und Substanz

Als UX-Designerin sehe ich in Tools wie Stitch zweifellos Potenzial – besonders, wenn es darum geht, in kurzer Zeit visuelle Prototypen oder technische Proofs of Concept zu erstellen. Die Ergebnisse sind oft sauber gestaltet und für schnelle Präsentationen oder Tests geeignet. Doch gerade aus UX-Sicht werfen solche automatisierten Designprozesse auch kritische Fragen auf.

Was Stitch beeindruckend schnell liefert, sind visuell ansprechende Interfaces – aber eben ohne den nötigen Kontext. Wer sind die Nutzer:innen? Welche Bedürfnisse, Ziele oder Herausforderungen bringen sie mit? In welchem Szenario kommt das Produkt zum Einsatz? Ohne Antworten auf diese Fragen entstehen zwar hübsche, aber oft generische Oberflächen, die wenig differenzieren und selten echte Nutzerprobleme lösen.

Auch stilistisch ähneln sich viele Ergebnisse: Farbwahl, Layouts und Komponenten folgen klaren Mustern – was zwar Konsistenz schafft, aber die visuelle Sprache einer Marke oder die Tonalität einer Zielgruppe schnell vernachlässigt. UX lebt jedoch von Feinheiten: von Verständlichkeit, Inklusion, Empathie – Dinge, die (noch) schwer automatisierbar sind.

Hinzu kommt, dass der Designprozess stark verkürzt gedacht wird. Ein Prompt – fertig. Doch UX ist ein iterativer Prozess. Hypothesen müssen entstehen, getestet und hinterfragt werden. Genau hier bieten aktuelle KI-Tools noch wenig Spielraum und sind kaum in bestehende Methoden wie User Research oder Usability-Tests integrierbar.

Nicht zuletzt sollten wir auch ethische Aspekte nicht ausklammern: Sind die generierten Designs barrierefrei? Wird Vielfalt berücksichtigt? Und wie steht es um Transparenz, Datenschutz und Nachhaltigkeit im generierten Code?

All das zeigt: Stitch ist ein spannendes Tool – aber kein Ersatz für fundiertes UX-Design. Unsere Rolle wandelt sich. Es geht weniger darum, selbst jedes Pixel zu setzen, als vielmehr darum, die richtigen Fragen zu stellen, Prioritäten zu setzen und den menschlichen Kontext in den Mittelpunkt zu stellen. Als UX Professionals bleibt unsere Perspektive unverzichtbar – gerade dann, wenn Technologie den Takt vorgibt.

Viel Spaß beim Testen! ✌
Der Link: https://stitch.withgoogle.com


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Franzi Detail

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